Patrick Nowicki im großen Interview vor dem Amtsantritt
Eschweiler. In wenigen Tagen nimmt mit Patrick Nowicki (CDU) der neue Bürgermeister der Stadt Eschweiler seine Arbeit auf. Die Aufgaben und Erwartungen sind groß. Im Interview mit der Eschweiler Filmpost bezieht er vor seiner Amtseinführung zu mehreren zentralen Themen Stellung.
Filmpost: Herr Nowicki, wie geht es Ihnen wenige Tage vor Ihrer Amtseinführung?
Patrick Nowicki: „Ich freue mich darauf, Verantwortung für unsere Stadt zu übernehmen. Gleichzeitig weiß ich, dass viele Aufgaben vor uns liegen. Ich habe mich intensiv vorbereitet und gute Gespräche mit Mitarbeitern im Rathaus geführt. Mir ist wichtig, dass dort gemeinsam eine Haltung entwickelt wird, die Veränderungen offen gegenübersteht. Am 26. November findet die konstituierende Ratssitzung statt, danach sind alle Ausschüsse besetzt. Mein Ziel ist glaubwürdige und ehrliche Politik – nah an den Menschen in Eschweiler. Ich wünsche mir, dass die Bürger in fünf Jahren sagen: ,Er hat vielleicht nicht alles richtig gemacht, aber insgesamt einen guten Job.´“
Wer wird Ihre „rechte Hand“?
„Es wird einen Kanzleramtsminister geben (lacht). Die Person, die diese Aufgabe übernehmen wird, bringt sehr wichtiges Verwaltungswissen mit – und das ist entscheidend. Der Bürgermeister ist gleichzeitig Leiter des Rates, Repräsentant der Stadt und Chef der Verwaltung – drei sehr unterschiedliche Rollen. Umso wichtiger ist es, sich Menschen an die Seite zu holen, die genau dort stark sind, wo man selbst Nachholbedarf hat. So funktioniert das in der Wirtschaft schließlich auch. Ich möchte diese Entscheidung aber noch sorgfältig vorbereiten. Nach meinem Amtsantritt am 3. November wird sie zügig bekanntgegeben.“
Viele Bürger klagen über die Trägheit der Verwaltung. Wie wollen Sie diese in den Griff bekommen?
„Dazu möchte ich schnellstmöglich Einblicke gewinnen und sie im Team besprechen. Wichtig ist, den Bereich der Digitalisierung weiter voranzutreiben, um Prozesse zu verschlanken. Bei Bauanträgen beispielsweise sollten alle Ämter gleichzeitig statt nacheinander eingebunden werden. Die Situation im Bürgerbüro möchte ich direkt angehen. Dort kommt es häufig zu langen Wartezeiten, was zu Frustration führt – sowohl bei den Bürgern als auch bei den Mitarbeitern, die engagiert arbeiten, aber an ihre Grenzen stoßen. Dafür brauche ich klare Kennzahlen: Wie lange dauert die Bearbeitung der Anträge? Welche Anträge kommen am häufigsten vor? Wann sind die Wartezeiten am längsten? Entsprechend der Ergebnisse könnten wir das Personal im Bürgerbüro in Spitzenzeiten erhöhen, indem Mitarbeiter aus anderen Bereichen des Rathauses aushelfen. Dazu wird man Mitarbeiter schulen müssen. Sämtliche Prozesse sind natürlich eng mit dem Personalrat abzustimmen. Ich plane, Anfang des kommenden Jahres konkrete Maßnahmen zu formulieren, um die Lage zu verbessern. Das Thema Bürgerbüro ist Teil meines Programms für die ersten 100 Tage meiner Amtszeit.“
Was gehört noch zu Ihrem 100-Tage-Programm?
„Ein zentraler Punkt ist, die Kommunikationswege innerhalb der Verwaltung deutlich transparenter zu gestalten. Sämtliche Führungskräfte sollen sich regelmäßig mit mir und untereinander austauschen. So wissen alle Ämter besser, was in den anderen Bereichen geschieht. Die Organisationsstruktur hat ebenfalls Potenzial. Außerdem steht noch der Antrag des Citymanagement-Vereins über 15.000 Euro im Raum, um die Existenz des Vereins zu sichern. Für diese Unterstützung werde ich mich einsetzen.“
Werden Sie auch mit der AfD zusammenarbeiten?
„Der Bürgermeister ist für alle Menschen da, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit. Anträge der AfD werden genauso fachgerecht behandelt und beantwortet wie bei jeder anderen Partei. Letztlich entscheidet jedoch der Rat, ob ein Vorschlag der AfD eine Mehrheit findet oder nicht.“
Direkt hinter dem Rathaus beschäftigt das brachliegende Quartier die Eschweiler schon seit vielen Jahren. Wie würden Sie versuchen, die momentane, verfahrene Situation zu ändern?
„Bei der Filmpost-Wahlarena am Talbahnhof habe ich durch die Aussage von Nadine Leonhardt erfahren, dass es einen Austausch mit dem Investor Ten Brinke gibt, was positiv ist. Zuvor hatte man den Eindruck, dass Funkstille herrsche und man nicht über die Pläne des Investors informiert sei. Ich möchte den aktuellen Stand der Gespräche einholen und darauf aufbauen. Der letzte Stand, den der Rat erhielt, war das Angebot, dass die Stadt Büroflächen und Stellplätze anmieten könne – allerdings zu sehr hohen Quadratmeterpreisen (jährliche Gesamtkosten von 469.600 bis 657.400 Euro, d. Red.). Letztlich ist die entscheidende Frage: Was ist auf diesem Gelände machbar und sinnvoll? Grundsätzlich ist klar, was gebaut werden soll – dazu gibt es bereits einen Ratsbeschluss. Natürlich müssen Details und die Umsetzung noch besprochen werden. Ich finde aber: Wenn man das Paket vollständig wieder aufschnürt und man nochmal sieben, acht Jahre warten müsste, ehe etwas realisiert würde, setzt man lieber das um, was im Moment Beschlusslage ist. Am Ende ist es aber nicht die Entscheidung des Bürgermeisters allein, sondern eine, die gemeinsam mit der Politik getroffen werden muss.“
Das klingt erstmal nach wenig Veränderung.
„Ich bin innovativen Ideen gegenüber nicht verschlossen, ganz im Gegenteil. Aber ich muss erstmal den aktuellen Stand kennen. Bisher gab es von mir noch keinen direkten Austausch mit Ten Brinke. Auch die letzte Akteneinsicht, die der CDU gewährt wurde, liegt schon eine Weile zurück. Das Mietangebot, das uns unterbreitet wurde, kam überraschend. Es war ein völlig neuer Ansatz und vielleicht der Versuch, in den letzten Monaten der Legislaturperiode noch schnell etwas in Gang zu setzen. Klar ist: Der Rat entscheidet. Aber als Verwaltung werden wir keinen Vorschlag machen, der so unwirtschaftlich ist wie dieses Mietangebot. Mit Steuergeldern muss verantwortungsvoll umgegangen werden. Ich möchte aber noch einmal betonen: Ich kenne den aktuellen Stand der Dinge noch nicht in allen Details. Ein Problem der letzten Jahre war ja auch, dass die Politik – selbst die regierenden Parteien SPD und Grüne – oft nicht ausreichend eingebunden war. Es gab das Gefühl, dass im Rathaus Dinge passieren, von denen man nichts weiß. Ich komme aus der Kommunikationsbranche. Daher werde ich einen anderen Weg gehen. Natürlich kann man sich viele Szenarien vorstellen. Aber wenn Ten Brinke zusagt, dass der Bauantrag zu einem bestimmten Termin eingereicht wird, dann werde ich nicht einfach sagen: ,Stopp, Sie bauen nicht, ich habe eine andere Idee.´ Das wäre nicht verantwortungsvoll.“
Falls sich weiterhin nichts tut: Wie stünden Sie zu der Idee, das Grundstück zurückzukaufen, damit die Stadt im Quartier wieder selbst entscheiden kann?
„Das müsste genauer geprüft und durchgerechnet werden. Ten Brinke würde uns sicherlich Planungs- und Abrisskosten in Rechnung stellen. Die Finanzierung müsste garantieren, dass keine zusätzliche Belastung für die Bürger entsteht.“
Schauen wir uns das Thema Innenstadt im größeren Kontext an: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um das Zentrum stärker zu beleben?
„Es gibt viele verschiedene Aspekte, die in einem großen Maßnahmenpaket zusammenkommen. Dazu gehören Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit. Zur Sicherheit: Geplant ist, eine gemeinsame Anlaufstelle für Polizei und Ordnungsamt einzurichten. Ich kann noch nicht genau sagen, wann das umgesetzt wird, aber ich werde alles dafür tun, dass dies schnell passiert. Was die Sauberkeit betrifft, so müssen wir mit dem Ordnungsamt besprechen, wie wir das Thema stärker in den Fokus rücken können. Vielleicht sollten wir auch überlegen, das unachtsame Wegwerfen von Müll härter zu sanktionieren. Ein weiterer Punkt, den wir mit der Politik diskutieren müssen, ist die Frage, ob wir Teile der Innenstadt als Sanierungsgebiet deklarieren. Das würde uns die Möglichkeit geben, Immobilien anders zu entwickeln oder gegebenenfalls zu kaufen. Viele Bürger kennen die Diskussion um die Vielzahl von Nagelstudios oder Friseuren in der Innenstadt. Mit einem Sanierungsgebiet könnte man gezielt regulieren, dass sich bestimmte Geschäftstypen nicht ansiedeln, wenn bereits genügend ähnliche Geschäfte in der Umgebung vorhanden sind – mit dem Ziel, die Innenstadt vielfältiger und attraktiver zu machen. Zudem könnte ein runder Tisch mit der Immobilienwirtschaft helfen, lokale Akteure einzubinden. Die klassische Einkaufsstadt, wie Eschweiler sie früher war, wird es aufgrund des veränderten Einkaufsverhaltens der Menschen nicht mehr geben – das ist eine Entwicklung, die wir in allen Städten beobachten können. Wenn wir die Innenstadt wirklich verbessern wollen, müssen wir auch hochwertigen Wohnraum in die City bringen, denn dieser stärkt indirekt auch die Geschäftsstruktur.“
Auch mehr innenstadtnahe Parkmöglichkeiten sind gefragt. Wie wollen Sie diese schaffen?
„Eine Verbesserung der Parkmöglichkeiten dürfte durch das geplante Parkhaus am Krankenhaus erreicht werden. Diese Pläne müssen bestmöglich seitens der Verwaltung unterstützt werden. Im Zuge eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts besteht eine Überlegung, beim Parkplatz am Talbahnhof, der städtisch ist, zusätzliche Ebenen zu schaffen, um mehr Parkplätze in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt zu bieten. Auch der Hauptbahnhof muss berücksichtigt werden, da die Parkplatzsituation für Pendler in Eschweiler täglich problematisch ist.“
Wie stehen Sie zu dem Gedanken, die Neustraße für den Verkehr zu öffnen?
„Die meisten Geschäftsleute in der Neustraße wünschen sich nach meiner Kenntnis eine Öffnung für den Verkehr. Ich würde der Politik vorschlagen, das in einem Verkehrsversuch zu testen, um zu sehen, wie sich die Situation entwickelt. Die Grabenstraße hingegen ist gut frequentiert. Da sollte man die Fußgängerzone beibehalten, was auch von den dortigen Geschäften gewünscht ist. Aufenthaltsqualität ist ein wichtiger Aspekt. Autoverkehr macht die Innenstadt nicht attraktiv, aber die Erreichbarkeit der Innenstadt mit ihren Geschäften, Ärzten etc. tut dies. Daher auch der Gedanke, zusätzliche Parkmöglichkeiten am Talbahnhof zu schaffen. Aber: Am Ende muss all dies natürlich mit der Politik abgestimmt werden. Ich bin ein Freund davon, die Dinge konzeptionell zu denken und nicht isoliert voneinander.“
Ein anderes großes Projekt ist der Bau der Schwimm- und Sporthalle. Diese wird mit vielen Besuchern und Verkehr verbunden sein. Ist der Bau an der Jahnstraße noch sinnvoll im Sinne einer vernünftigen Stadtplanung, nachdem durch den Abriss der Eissporthalle nebenan eine reine Wohnanlage entstanden ist? Experten für innerstädtischen Wohnungsbau raten ja dringend davon ab.
„Wenn es politisch gewollt ist, das Projekt an dem geplanten Standort zu stoppen, werde ich mich da nicht wehren können, aber ich werde dazu nicht raten. Natürlich kann man über den Standort diskutieren. Hätten wir heute das Jahr 2021 und ich hätte damals die politische Verantwortung getragen, würden wir sicher anders über den Standort sprechen. Aber zum aktuellen Zeitpunkt werde ich meinerseits nicht mehr an dieses Thema herangehen. Die Planung ist zu weit fortgeschritten und die Konsequenzen wären erheblich, wenn wir das Projekt noch einmal aufrollen – mit Klärung der Fördermittel, Finden des neuen Grundstücks oder der Neugestaltung der Planung und Gutachten. Der Zeitrahmen ist ohnehin schon sehr lang mit einer geplanten Fertigstellung im Jahr 2030. Wenn man jetzt noch einmal alles hinterfragt, wird sich der Fertigstellungstermin weiter nach hinten verschieben. Die Traglufthalle am Freibad Dürwiß ist eine teure Übergangslösung und keine langfristige Option.“
Was sehen Sie als konkrete Maßnahme zur Verschönerung und Erlebbarkeit der Inde?
„Es gab die Idee, eine Inde-Terrasse vor dem Rathaus zu schaffen, aber diese wurde zurückgestellt, weil das Rathausquartier noch nicht gebaut ist. Ich denke, wir sind eine der wenigen Städte, die das Potenzial eines Flusses direkt in der Innenstadt nicht richtig nutzen. Damit würden wir allerdings ein sehr großes Projekt aufmachen. Derzeit stehen uns neben den laufenden Bauvorhaben mehrere Großprojekte bevor: Das Rathausquartier, die Entwicklung des Schlachthofgeländes, die Waldschule, das Nebengebäude des Städtischen Gymnasiums, die Feuerwache, die Grundschule Bergrath und das neue Schwimmbad. Daher tue ich mich schwer damit, in der Mitte der Stadt noch ein weiteres Großprojekt anzustreben. Ich muss bei allen Überlegungen immer im Hinterkopf behalten: Haben wir das Geld und auch das Personal zur Umsetzung? Das bedeutet nicht, dass eine Veränderung grundsätzlich vom Tisch ist. Aber aktuell gibt es andere Prioritäten, insbesondere bei einem Haushalt, der kaum Gestaltungsspielräume lässt. Alles muss umsetzbar, bezahlbar und gewollt sein.“
Stört Sie das wilde Plakatieren am Inde-Ufer?
„Durchaus. Wir müssen an mehreren Stellen ansetzen, um das Stadtbild zu verschönern. Eine mögliche Lösung wäre, digitale Bildschirme aufzustellen, die Informationen und Veranstaltungstipps zeigen. Das müsste allerdings eng mit Werbenden und Vereinen abgestimmt werden.“
Apropos Vereine: Sie sind im Karneval sehr engagiert. Bleibt das so mit Ihrer neuen Aufgabe als Bürgermeister?
„Ich bin seit fast 24 Jahren Präsident der KG Narrengarde Dürwiß und bis 2027 gewählt. Danach wird man sehen. Ich halte nichts davon, einfach so alles fallen zu lassen. Karneval ist ein wichtiger Teil meines Lebens, und die Narrengarde ist jeden Tag ein Thema – auch im Gespräch mit meiner Frau Dagmar. Wir haben ein tolles Team im Vorstand der Narrengarde, das mich vertritt, wenn ich aufgrund von Verpflichtungen als Bürgermeister nicht teilnehmen kann.“
Interview: Ines Tiede, Tim Schmitz, Michael Engelbrecht