Explosion in der Neustraße: Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt
Am 6. Dezember startete das Gerichtsverfahren am Landgericht Aachen zur Explosion in der Neustraße, die am 30. März 2023 eine Schneise der Verwüstung und zahlreiche auch lebensgefährliche Verletzte zur Folge hatte. Angeklagt waren der 22-jährige Karsan A. und sein 56-jähriger Vater Sherwan A., denen gemeinschaftlich versuchter Mord in 13 Fällen vorgeworfen wurde. Nun wurde das Urteil verkündet.
Die Anklage
Ihnen wurde zur Last gelegt, im gemeinsamen Ladenlokal in der Neustraße, welches im Erdgeschoss eines ansonsten aus Wohnungen bestehenden Mehrfamilienhaus gelegen war, Brandbeschleuniger in erheblicher Menge ausgegossen und – nachdem sich ein Gas-Luftgemisch gebildet haben soll – dieses angezündet zu haben. Ziel sei es gewesen, die Schadenssumme durch eine Versicherung erstattet zu bekommen. Durch die Tat wurden Gebäude bis zu einer Entfernung von 60 Metern beschädigt. Durch die Druckwelle der Explosion sind mehrere Wände in dem Gebäude und in den unmittelbaren Nachbargebäuden sowie Teile der Decke zum Einsturz gebracht worden. Sechs Bewohner des Mehrfamilienhauses befanden sich zum Tatzeitpunkt in ihren Wohnungen. Vier Bewohner sollen zufällig nicht vor Ort gewesen sein.
Die (teilweise minderjährigen) Anwesenden standen zum Teil unter Todesangst und erlitten erhebliche Verletzungen. Neben Rauchgasintoxikationen, Schnittverletzungen und Prellungen wurden insbesondere erhebliche Verbrennungen von insgesamt vier Personen stationär und teilweise intensiv medizinisch behandelt. Bei zwei Personen bestand akute Lebensgefahr. Auch weitere Nachbarn und Rettungskräfte zogen sich Verletzungen zu. Zudem entstand ein Sachschaden von über 2 Millionen Euro.
Das Verfahren
Nachdem das Verfahren am 6. Dezember mit dem ersten Verhandlungstag startete, entlastete der 22-jährige Karsan A. seinen Vater und sagte, unter Drogenkonsum allein für die Tat verantwortlich gewesen zu sein.
Während der Verhandlungstage wurde das Leid der Opfer mehr als greifbar. So gehörte eine Familie mit ihrem zum Zeitpunkt der Explosion sechs Wochen alten Kind zu den lebensgefährlich Verletzten. Sie schilderten die Ereignisse, unbeteiligte Beobachter können nur erahnen, welche Hölle die Explosion für die Betroffenen gewesen sein muss. Begleitet wurden die Opfer von Simone Borsten von der Organisation Weißer Ring, die den Betroffenen bereits unmittelbar nach der Explosion und auch während der Gerichtsverhandlung zur Seite stand. Staatsanwältin Melissa Hilger bezeichnete die Geschehnisse als „postapokalyptischen Zustand“. Ein weiterer Zeuge im Verfahren war Eschweilers Feuerwehrchef Axel Johnen, der bereits einen Tag nach der Explosion sagte, dass er eine solche fremdverschuldete Zerstörung noch nie gesehen habe.
Die Gerichtsverhandlung zog sich schließlich bis in den Januar, zwischenzeitlich wurden Gerichtstage aufgrund von Zahnschmerzen des Angeklagten Karsan A. verschoben. Letzterer tätigte dann die von seinem Verteidiger Dominic Marraffa verlesene Aussage, dass er zwar das Benzin im Laden verschüttet, aber nicht angezündet habe. Im Verlauf des Verfahrens beantragte die Verteidigung Schuldminderung wegen einer möglichen Intelligenzminderung beim Angeklagten Karsan A. Eine Gutachterin schloss die Intelligenzminderung aus.
Das Urteil
Ursprünglich sollten am 5. Januar die Plädoyers gehalten werden. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenverteidigung haben dargelegt, wer und was am 30. März 2023 die Explosion ausgelöst hat. Der vorsitzende Richter Roland Klösgen wollte die Beweisaufnahme schließen, doch durch die Verteidigung kamen weitere Beweisanträge. Vergangene Woche einigte man sich letztlich auf die Schließung der Beweisaufnahme und das Urteil wurde am heutigen Dienstag verkündet.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Die besondere Schwere der Schuld, die eine Freilassung auf Bewährung nach 15 Jahren erschweren würde, wurde ebenfalls beantragt. Die Verteidigung forderten demgegenüber für den 22-jährigen Angeklagten eine Freiheitsstraße von drei Jahren und sechs Monaten. Für den 56 Jahre alten Vater hatte dessen Verteidiger Freispruch beantragt.
Die Schwurgerichtskammer hat nun über die beiden Angeklagten Karsan A. und Sherwan A. eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Dem Antrag der besonderen Schwere der Schuld folgte sie nicht.
Manuel Hauck